Die Menschheit stehe einer „dreifachen planetaren Krise“ gegenüber: dem Klimawandel, dem Verlust von Biodiversität und der Verschmutzung. Um ihr zu begegnen, brauche es den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, sagte Sozialökologin Nina Eisenmenger von der Boku University in Wien. Der „gesellschaftliche Stoffwechsel“ bringe es mit sich, dass auf einen gewissen Input an Ressourcen ihre Verwendung in Form von Materialien und damit auch Emissionen und Abfälle resultieren. Das Problem, ob bei Ressourcennutzung, bei Beständen wie Gebäuden oder Straßen, bei Abfällen: „Wir sehen einen Anstieg in allen Kurven – das kann nur ein Problem sein.“ Haupttreiber für den Zuwachs seien die gebaute Umwelt und Mobilität, gefolgt von Energie- und Nahrungssystemen.
Von dem nationalen Ziel, den Material-Fußabdruck bis 2050 auf jährlich 7 Tonnen pro Kopf zu senken, sei Österreich meilenweit entfernt – der inländische Materialverbrauch liegt derzeit bei rund 17 Tonnen. „Recycling“ sei wichtig, so Eisenmenger, aber es gehe vor allem auch um die weiteren Ziele des zirkulären Konzeptes, etwa das Überdenken des Produktdesigns.
Die Materialflussanalysen zeigen die Notwendigkeit klar auf, handeln zu müssen, meinte Komplexitätsforscher Peter Klimek, Direktor des Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII). Aber: “Einzelne Marktteilnehmer haben nur begrenzte Möglichkeiten, Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Es geht vor allem um den systemischen Wandelprozess,” schon alleine aufgrund der verzweigten Wertschöpfungsketten. Dass Kreislaufwirtschaft Innovation hemmen könnte, sieht der Forscher vom Complexity Science Hub Wien eher weniger als Gefahr: „Ich würde sie eher als Innovationsmotor sehen – auch wenn man den Rahmen setzen muss, dass der Motor anspringen kann.“
Recycling ist die populärste Ausprägung von Zirkularität. Aber kann der Handel mit „renovierten“ Produkten, etwa Handys oder Computern, nicht auch Konsum anheizen? „Wer konsumieren will, konsumiert“, meinte Kilian Kaminski, Mitbegründer von Refurbed, einem Online-Marktplatz für generalüberholte Elektrogeräte. Man könne vielmehr mit einem breiten Produktangebot auch weniger kaufkräftigen Gruppen nachhaltige Qualität anbieten – als Alternative zu Billig-Produkten aus Asien, so etwa eine aufbereitete Marken-Waschmaschine. Als weiteren wichtigen Faktor verwies das Vorstandsmitglied der „European Refurbishment Association“ auf die Bedeutung von Regulierungen zu „Greenwashing“, etwa die „EU Green Claims Directive“, um gegen die nicht gerechtfertigte, sondern vielmehr nur dem Branding und Marketingzwecken dienende unternehmerische Verwendung des Begriffs Kreislaufwirtschaft vorzugehen.
Als Vertreter von Österreichs Erdöl-, Erdgas- und Petrochemiekonzern OMV unterstrich Andreas Leitner, Senior Vice President des Bereiches Innovation und Technologie, auf die zu kalkulierende lange Umsetzungszeit von Transformationsprozessen. „Ja, das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, klingt als Öl- und Gasunternehmen fast unmöglich.“ Aber es gebe eben auch entsprechende Projekte, z.B. zum Ausbau von Geothermie oder zum Recycling von Kunststoff, die vorangetrieben würden.
Alexandra Kick, Co-Gründerin von Thinkubator, einem Thinktank für Kreislaufwirtschaft, verwies auf die Rolle von Bildung, um einen Wandel in Richtung Kreislaufwirtschaft zu begleiten: Wie ihre Erfahrung zeige, würde bei jüngeren Personen helfen, in der Familie etwa über das Müllaufkommen oder den Materialdurchsatz zu sprechen. „Regularien und Druck sind wichtig, man braucht aber vor allem auch positive Beispiele.“ Man müsse mehr bestehendes Wissen in die Umsetzung bringen und versuchen, das in Anbetracht der Komplexität oft aufkommende Ohnmachtsgefühl „in Aktion umzuwandeln“.
Auch wenn sich schnell die Frage stellt, wie man sich angesichts globaler Wertschöpfungsketten, politischer Entwicklungen oder auch der Komplexität des Themas im Großen und Ganzen aufstellen kann: Zirkuläre Ansätze könnten auch auf kleinerer Ebene, etwa im Bezirk, umgesetzt werden – beispielsweise raumplanerisch und bei der Gestaltung des Mobilitätsangebots. Ein zentraler Faktor sei, waren sich die Experten einig, das Konsumverhalten. Die Gesellschaft müsse sich ausverhandeln, „wie wir leben möchten“. Katastrophen wie etwa Hochwasser spielten hier in die Hände: „Die Menschen spüren, dass etwas getan werden muss“, ergänzte Eisenmenger.
[Quelle: APA-Science/OTS, 14. 11. 2024]
Ergänzend zur Diskussion bietet APA-Science den aktuellen Themenschwerpunkt „Kreislaufwirtschaft im Bauwesen“. Beleuchtet werden dabei innovative Ansätze, bereits bei der Planung von Bauvorhaben Ressourcen intelligent einzusetzen, die Lebenszeit der Materialien und Gebäude zu verlängern und die Wiederverwertung und damit Rückführung von Stoffen in den Kreislauf neu zu gestalten. Zu Wort kommen zahlreiche Expertinnen und Experten aus Forschungseinrichtungen, Initiativen und Organisationen sowie der Wirtschaft.